Digitalisierung im Facility Management
Facility Management: Digitalisierung
Digitalisierung - rechtskonform und mit Mehrwert
Wo stehen wir?
Die Ausgabe des Digital Office Index 2022, erstellt vom Branchenverband Bitkom, bietet einen Überblick über den Digitalisierungsfortschritt in Deutschland. In diesem Bericht werden Erfolgsmeldungen präsentiert, die jedoch als irreführend betrachtet werden können. Eine solche Aussage besagt beispielsweise, dass die Corona-Pandemie deutsche Büros nachhaltig digitalisiert habe, aufgrund einer verstärkten Nutzung von Videokonferenzen sowie einem Rückgang von Briefen und Faxen.
Hybrides Arbeiten, Fachkräftemangel und Flächeneffizienz = 3 gute Gründe für Digitalisierung
Es gibt viele Gründe für die Digitalisierung. Jedoch hat die Medaille auch eine Kehrseite. Viele Unternehmen kratzen immer noch nur an der Oberfläche der verfügbaren Digitalisierungsoptionen. Manche scannen ihren Posteingang und senden die Papierdokumente per E-Mail an ihre Kollegen, ohne weiterführende inhaltliche Aufbereitung, automatische Verteilungen oder Vorklassifizierungen von Inhalten in Betracht zu ziehen. Andere sehen bereits in der Einführung von Kollaboration-Tools wie MS-Teams & Co. einen bedeutenden Digitalisierungsfortschritt, aber sie setzen weiterhin auf die Hauspost und legen sie auf die Schreibtische der Mitarbeiter.
Digitalisierung von Altakten-Beständen
In nahezu allen Unternehmensbranchen dürfte es kaum eine Dokumentenkategorie geben, die so weit verbreitet ist wie Aktenbestände. Dabei ist es wichtig, zwischen aktiven Akten und Altakten zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang liegt der Fokus auf den Altakten.
Weder flächeneffizent noch dezenteral im Zugriff
Ob es sich um Dokumentationen bestehender Anlagen, Maschinenakten von vor vielen Jahren hergestellten Industrieanlagen, Personalakten ehemaliger Mitarbeiter oder einfach nur zentral abgeheftete Korrespondenz ehemaliger Kunden handelt – Altakten in Aktenschränken oder Kellerarchiven sind auch im Jahr 2023 noch weit verbreitet und die Regel, nicht die Ausnahme.
Mehrwert oder Entsorgungsgut? Oder auslagern?
Die zentrale Herausforderung, die all jene Aktenbestände gemeinsam haben, ist die Frage, ob die in Aktenform abgelegten Informationen noch einen Mehrwert für das Unternehmen haben oder ob eine Vernichtung rechtlich zulässig wäre. Je nach Größe des Unternehmens können sich hier schnell hunderte Aktenmeter an alten Unterlagen ansammeln, die oft die gesamte Dokumentenhistorie eines Unternehmens darstellen. Eine Sichtung der Aktenbestände ist zeitaufwendig, und auch die anschließende Bewertung, ob die Unterlagen möglicherweise noch aufbewahrungspflichtig sind oder zumindest einen kaufmännischen Mehrwert für das Unternehmen darstellen, gestaltet sich als anspruchsvoll.
Eine pauschale Digitalisierung aller Altakten ist kaufmännisch kaum die sinnvollste Entscheidung, da schnell 6-stellige Beträge für entsprechende Aktenbestände zusammenkommen. Folglich sollte eine 3-Teilung der Akten erfolgen:
Akten, die definitiv nicht mehr benötigt werden sollten vernichtet werden
Akten, die noch benötigt werden, deren Inhalte jedoch selten bis gar nicht eingesehen werden, sollten physisch aufbewahrt werden – hierbei ist idealerweise ein frühestmögliches Vernichtungsdatum zu vermerken
Akten, die noch benötigt werden und regelmäßig zu Recherchezwecken eingesehen werden müssen, sollten einer Digitalisierung zugeführt werden o Haben die Akteninhalte keinen gesteigerten Beweiswert, sollten die Akten nach der Digitalisierung der Vernichtung zugeführt werden
Langzeitarchivierung
Der PDF/A Standard der International Organization for Standardization (ISO) wurde für die Digitalisierung von Altakten entwickelt. Dieser Standard fungiert als Dateiformat für die Langzeitarchivierung digitaler Dokumente und gewährleistet, dass gescannte Dokumente auch in 10, 25 oder 50 Jahren genauso lesbar sind wie zum Zeitpunkt der Digitalisierung.
Ordnerweise Archivierung
Bei der Digitalisierung sollte eine einfache und kostengünstige Variante bevorzugt werden, die keine Unterteilung der Akten in verschiedene Register oder ähnliches erfordert. Stattdessen sollten die gescannten PDF-Dateien entsprechend der Bezeichnung auf dem Ordnerrücken benannt werden. Alle weiteren Informationen können durch Recherche im Volltext der späteren digitalen Akten-PDF-Datei gefunden werden.
Unterlagen mit Beweiswert
Wenn man auf die physische Archivierung nach der Digitalisierung für Unterlagen mit gesteigertem Beweiswert (z. B. Original Kundenverträge o.ä.) verzichten möchte, könnte eine Digitalisierung gemäß der BSI Vorgabe TR-03138 RESISCAN empfehlenswert sein.
So liefert das Bundesministerium für Sicherheit in der Informationstechnik innerhalb seiner technischen Richtlinie eine Vorgabe dafür, wie eine Digitalisierung einen möglichst hohen Beweiswert der Digitalisate erzeugt.
Signatur
Alternativ oder in seltenen Fällen sogar zusätzlich kann das Anbringen einer qualifizierten, elektronischen Signatur gemäß der eIDAS-Verordnung einen zusätzlichen Beweiswert erzeugen. Derzeitige Auslegungen sehen nur die qualifizierte, elektronische Signatur als juristisch gleichwertig zur handschriftlichen Unterschrift an.
Dokumenten-Management-System (DMS)
Abschließend sollte jedes Digitalisierungsvorhaben das Ziel verfolgen, ein ordnungsgemäß aufgesetztes Dokumenten-Management-System (DMS) zu verwenden. Obwohl gescannte Akten als PDF-Dateien problemlos flach in das Dateisystem eines jeden Unternehmens exportiert werden können, lässt sich bei Nutzung des Dateisystems keine sichere Dokumentation über den Verbleib oder etwaige Veränderungen gewährleisten.
Rechte- und Rollenkonzept / Geschäftsgeheimnisse
Des Weiteren beinhaltet der Bereich der Altakten Akteninhalte, die nur von bestimmten Nutzern in einem eingeschränkten Rechte- und Rollenkonzept eingesehen werden sollten. Der allgemeine Zugriff für alle Mitarbeiter auf die Personalakten ehemaliger Mitarbeiter ist nicht nur aus Datenschutzgründen bedenklich. Gleiches gilt für möglicherweise vertrauliche Konstruktionszeichnungen gescannter Maschinenakten, die unter Umständen auch gemäß des neu etablierten Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) geschützt sein könnten.
Digitalisierung von lebenden / aktiven Akten
Bevor Aktenbestände zu Altakten werden, sind sie meist lebende, aktive Akten, die den Mitarbeitern einer jeden Abteilung als tägliche Datenbasis ihrer Arbeit dienen.
Lebende Akten sind Akten, die aktuell genutzt werden und regelmäßig aktualisiert werden.
Im Unterschied zu Altakten wachsen lebende Akten regelmäßig durch Anfügen neuer Dokumente und werden deutlich häufiger zur täglichen Akteneinsicht herangezogen als jene Akten, die seit vielen Jahren die Kellerarchive füllen.
Die Mehrwerte einer Digitalisierung laufender Akten liegt deutlich über denen einer Altakten-Digitalisierung.
Gleichzeitig ist es wichtig, neben der Aktendigitalisierung auch ein Verfahren für die kontinuierliche Nachdigitalisierung oder die digitale Ablage neuer Unterlagen zu etablieren. Ein Digitalisierungsvorhaben wäre fragwürdig erfolgreich, wenn nach dem Scannen der bestehenden Aktenbestände neue Dokumente wieder ausgedruckt und in Aktenordnern abgelegt werden, während ältere Dokumente bereits in digitalisierter Form vorliegen. Dies würde zu klassischen Medienbrüchen führen.
Digitale Vorhaltung
Der Gesetzgeber führt langsam, aber sicher, Vorschriften zur digitalen Vorhaltung für einige Aktenarten ein, was ein entscheidender Faktor für die Digitalisierung von Papierakten sein könnte. So wurde es ab dem 01.01.2022 für Unternehmen zur Pflicht, Teile der Personalakte elektronisch vorzuhalten. Die genauen Vorgaben sind im Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs einsehbar.
Die digitale Vorhaltung ermöglicht eine einfachere Suche, Organisation und gemeinsame Nutzung von Dokumenten und Daten und kann auch Platz sparen und die Sicherheit erhöhen.
Umstellung der Dokumentenablage
Eine digitale Vorhaltung einzelner Dokumente, während gleichzeitig eine führende Papierakte verwaltet wird, erscheint widersinnig und wenig produktiv. Daher sollten Unternehmen sich direkt mit einer vollständigen Digitalisierung ihrer Papierakten beschäftigen und gleichzeitig die Umstellung der Dokumentenablage in entsprechende HCM- oder ECM-Systeme vornehmen.
HCM steht für Human Capital Management. Ein HCM-System ist eine Art von Software, die verwendet wird, um die Verwaltung von Personalressourcen (HR) und Personalverwaltungsaufgaben zu unterstützen.
ECM steht für Enterprise Content Management. Ein ECM-System ist eine Art von Software, die verwendet wird, um die Verwaltung von Dokumenten, Inhalten und anderen digitalen Informationen in einem Unternehmen zu unterstützen.
Kein Aufbewahrungsrecht: Sorgfaltspflicht
Umgekehrt besteht ein Risiko, das möglicherweise nur den wenigsten Unternehmen bekannt ist. Es kommt vor, dass den Personalakten regelmäßig Dokumente entnommen werden müssen, für die der Arbeitgeber kein Aufbewahrungsrecht mehr hat. Diese könnten beispielsweise alte Abmahnungen oder Krankenbescheinigungen sein, deren Aufbewahrungsfristen überschritten sind. Die entsprechenden Dokumente automatisch per Datumsbenachrichtigung innerhalb einer digitalen Akte zu entfernen ist in der Praxis um ein Vielfaches leichter, als das regelmäßige, vollständige Durchsuchen aller Papierakten zur Identifizierung etwaiger Löschkandidaten.
Klassifizierung und Indizierung
Im Gegensatz zu Altakten lohnt es sich für laufende Aktenbestände, eine komplexere Digitalisierungsform zu wählen. Durch die tägliche Arbeit mit den digitalen Akten können Register- oder Dokumententrenner das tägliche Arbeiten erheblich beschleunigen. Die Klassifizierung und Indizierung wichtiger Dokumente ermöglichen es zudem, Prozesse gezielt zu starten und weiterzuleiten.
Risikomanagement
Abschließend ergeben sich aus Digitalisierungsvorhaben zum Teil auch Vorteile, die erst bei genauer Betrachtung ans Tageslicht kommen. Ein exklusiv in Papierform vorgehaltener Aktenbestand eines mittelständischen Maschinenbauers stellt aus Versicherungssicht ein enormes betriebliches Risiko dar. Im Falle eines Brandes könnte das Papierarchiv verloren gehen, und wichtige Konstruktionszeichnungen sowie Stücklisten wären möglicherweise unwiederbringlich verloren.
Wenn das Unternehmen jedoch auf einen regelmäßig gesicherten, digitalen Datenbestand dieser Unterlagen zurückgreifen kann, könnte sich dies sogar in der Risikobetrachtung der Betriebsversicherungspolice positiv auswirken.
Die produktivste Form der Digitalisierung: Digitalisierung eingehender Dokumente
Bei den eingehenden Dokumenten handelt es sich um verschiedene Arten von Dokumenten des täglichen Posteingangs, wie zum Beispiel Kundenkorrespondenz oder Eingangsrechnungen. Gleichzeitig können auch interne Dokumente wie Reisekostenanträge der Mitarbeiter betrachtet werden.
Klassifizierung
Die Digitalisierung eingehender Dokumente bietet nicht nur die Möglichkeit, analoge Dokumente in digitale umzuwandeln, was die Bearbeitung der Eingangspost im Home-Office ermöglichen würde. Viel bedeutender sind die betriebswirtschaftlichen Vorteile, die sich ergeben, wenn die eingehende Post direkt in unterschiedliche Dokumententypen klassifiziert wird.
Ressourcen frei für wichtiges!
Eingehende Aufträge werden direkt als Dokumente vom Typ "Kundenauftrag" klassifiziert und können gezielt an die entsprechende Abwicklungs-Abteilung weitergeleitet werden. Bei zusätzlicher Auslesung von spezifischen Dokumenteninhalten ist sogar eine automatische Anlage neuer Kundeneinträge im System möglich, indem die Absenderinformationen erfasst werden. Durch die Verwendung von Importschnittstellen in ERP- oder CRM-Systemen entfällt das manuelle Bearbeiten von Papierdokumenten sowie das mühsame Abtippen oder Überführen von analogen Informationen. Dies führt dazu, dass die Ressourcen der Mitarbeiter effizienter für ihre eigentlichen Kerntätigkeiten genutzt werden können.
Rechnungseingangsverarbeitung
Die Rechnungseingangsverarbeitung ist ein häufiges Beispiel für die laufende Eingangsdigitalisierung. Da jedes Unternehmen Eingangsrechnungen erhält und die Prüf- und Freigabeschritte oft ähnlich ablaufen, gibt es eine Vielzahl von praxistauglichen Lösungen, die hier angewendet werden können.
Amortisation sich durch höhere Skontoquoten
Durch die Zusammenarbeit mit professionellen Scandienstleistern können Skontoziele optimiert werden. Eingehende Kreditorenrechnungen werden dann dank Service Level Vereinbarungen mit dem Dienstleister bereits 24 Stunden nach Eingang vollständig ausgelesen und idealerweise mit internen Kreditoren- und Bestelldaten im System abgeglichen, um für die Bezahlung bereit zu stehen. Die Prozesskosten amortisieren sich durch höhere Skontoquoten in kürzester Zeit.
Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff
Ein weiterer Vorteil besteht in der damit einhergehenden und oft vollautomatischen Erfüllung der entsprechenden GoBD Auflagen. Digitale Rechnungen sind bereits seit 2011 den Papierrechnungen gleichgestellt. Dennoch drucken Unternehmen nicht selten eingehende E-Mail-Rechnungen zur Weiterbearbeitung aus, da ihnen die digitalen Prozesse zur elektronischen Weiterverarbeitung fehlen.
Das Original ist im Falle einer E-Mail Rechnung die digitale Rechnung.
Damit verstoßen sie gegen die GoBD Vorgaben zur Archivierung der Belege, denn elektronische Rechnungen müssen revisionssicher und elektronisch archiviert werden. Das Original ist im Falle einer E-Mail Rechnung die digitale Rechnung und nicht das ausgedruckte Faksimile.
Obwohl mittlerweile deutschlandweit zwei Drittel aller Rechnungen elektronisch eingehen, gibt es bereits seit Jahren generische digitale Rechnungsformate, deren Akzeptanz jedoch auch im Jahr 2023 eher gering ist. In dem föderalistischen Deutschland konnte bisher keine Einigung auf einen einheitlichen Standard erzielt werden, sodass die Formate XRechnung und ZUGFeRD (Zentraler User Guide Forum elektronische Rechnung Deutschland) gleichzeitig existieren. Sie ermöglichen die Übermittlung der Rechnungsinhalte in technischen Datenfeldern, um beim Eingang einer Rechnung keine aufwendige Auslesung mehr durchführen zu müssen, sondern einen fest definierten 1:1 Datenimport in die korrekten ERP-Felder zu ermöglichen. Details dazu sind in der E-RechV festgelegt worden.
Aufwand / Nutzen
Die Tatsache, dass die Implementierungsaufwände beim Rechnungsversender liegen, die Vorteile jedoch beim Rechnungsempfänger liegen, dürfte zu der aktuellen Akzeptanz dieser rein elektronischen Rechnungsformate beitragen.
Fast unbemerkt existiert im Übrigen bereits seit 27. November 2018 eine Pflicht zur Annahme und Weiterverarbeitung solcher E-Rechnungen – zumindest für die obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane des Bundes.
Stufenweises Vorgehen
Grundsätzlich ist es ratsam, für jede Digitalisierungsstrategie schrittweise vorzugehen. Ein guter Startpunkt kann die Digitalisierung eines kleinen Altbestands an Akten sein, was gleichzeitig die Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) ermöglicht. Sobald ein DMS vorhanden ist, kann die automatische E-Mail-Archivierung unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen schnell und rechtskonform umgesetzt werden. Mit diesen Prozessen etabliert, fällt es leicht, einen elektronischen Rechnungsfreigabeprozess einzuführen. Schritt für Schritt wird der Betrieb digitalisiert – jedoch immer mit dem klaren Ziel der Effizienzsteigerung und oft auch der gleichzeitigen Verbesserung des Compliance-Status.